Antarktis: Rückkehr der Weddell-Polynja stützt Kieler Klimamodelle
Primary tabs

Antarktis: Rückkehr der Weddell-Polynja stützt Kieler Klimamodelle
Eigentlich herrscht in der Antarktis noch tiefster Winter. Das Wedell-Meer ist zu dieser Jahreszeit
üblicherweise mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Doch trotz eisiger Temperaturen in der Region
zeigen Satellitenbilder derzeit eine große eisfreie Fläche inmitten des Packeises. Das Loch im
Meereis hat ungefähr die Größe von Niedersachsen und fasziniert Klima- und Polarforscher
weltweit. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für
Ozeanforschung Kiel beobachten die Entwicklung genau. „Für uns ist diese eisfreie Fläche ein
wichtiger neuer Datenpunkt, an dem wir unsere Klimamodelle messen können. Ihr Auftreten nach
mehreren Jahrzehnten bestätigt zudem unsere früheren Berechnungen“, sagt Dr. Torge Martin,
Meteorologe und Klimamodellierer im GEOMAR-Forschungsbereich „Ozeanzirkulation und
Klimadynamik“.
Die Polarforschung bezeichnet eine große eisfreie Zone in sonst zugefrorenen Meeresgebieten
mit dem russischen Wort Polynja. In der Arktis und Antarktis treten Polynjas regelmäßig auf,
jedoch typischerweise in Küstenregionen. Sie spielen dort eine wichtige Rolle bei der Bildung von
neuem Meereis und Tiefenwassser. Im offenen Ozean hingegen sind Polynjen selten. Die
sogenannte Weddell-Polynja konnte erst ein einziges Mal beobachtet werden. Das war in den
1970er-Jahren. „Damals gab es die ersten Satelliten, mit denen man die Meereisausdehnung aus
dem Weltall beobachten konnte. Messungen vor Ort waren und sind mit enormem Aufwand
verbunden, so dass es nur selten passende Daten aus dem Ozean gibt“, sagt Dr. Martin.
Trotzdem ist das Phänomen der Weddell-Polynja gut zu erklären. „Der südliche Ozean ist stark
geschichtet, eine sehr kalte, aber salzarme Wasserschicht liegt über einer deutlich wärmeren und
salzhaltigeren und wirkt wie eine Isolationsschicht“, erklärt Prof. Dr. Mojib Latif, Leiter des
Forschungsbereichs am GEOMAR. Wenn bestimmte Faktoren zusammenkommen, kann das
warme Wasser der unteren Schicht an die Oberfläche gelangen und dort das Eis schmelzen. „Das
ist wie ein Überdruckventil – der Südozean gibt dann mehrere Winter lang überschüssige Wärme
an die Atmosphäre ab, bis das Wärmereservoir erschöpft ist“, ergänzt Professor Latif.
Zwei Fragen blieben bei dieser Erklärung allerdings offen: Wie oft tritt die Polynja auf und hat der
Klimawandel Einfluss auf diesen Prozess? „Wenn es kaum Beobachtungsdaten gibt, können uns
Computermodelle helfen, die die Wechselwirkungen zwischen dem Ozean, der Atmosphäre und
dem Meereis simulieren“, erklärt Dr. Annika Reintges, Erstautorin der jüngsten Studie der Kieler
Gruppe. Die Modelle funktionieren nach allgemeinen physikalischen Gesetzen. Realitätsnahe
Daten wie das Relief des Meeresbodens in einer Region oder echte Klimadaten als Startpunkt
geben einen Rahmen vor, in dem die Modelle laufen.
Allerdings führen Unsicherheiten in den Rahmendaten zu einer Bandbreite von Ergebnissen.
„Deshalb versuchen wir immer, die Simulationen an realen Phänomenen abzugleichen, um die
Modelle zu verbessern. Leider sind viele Messreihen zu kurz, um die simulierte Klimavariabilität in
Zeiträumen von mehreren Jahrzehnten bewerten zu können. Wir vergleichen die Modelle deshalb
auch untereinander“, so Dr. Reintges weiter.
- Log in to post comments
- 1287 reads