Fragen an FundaWunda, Crossboccia-Weltmeister

Primary tabs

Shariff: 

Fragen an FundaWunda, Crossboccia-Weltmeister

Boule oder Boccia war bisher bekannt als ein gemütlicher Sport für ältere Herren, die harte Kugeln Asche- oder Sandbahnen entlang werfen. Doch Crossboccia ist genau das Gegenteil – und plötzlich wird die ganze Welt zum Spielfeld!

Seinen Ball so nah wie möglich an den Zielball ranwerfen, das simple Ziel von Crossboccia ist das gleiche, wie beim seit Jahrhunderten bekannten Boule oder Boccia. Doch sonst ist fast alles anders. Vor allem die Bälle. Und die erweitern das Spiel zu einem kreativen und action­reichen Sport.

Hochhaus oder Flughafen – egal!

Während man beim klassischen Boule oder Boccia mit harten Kugeln aus Metall, Holz oder Plastik spielt, sind die Bälle beim Crossboccia weich und erinnern eher an einen Hacky-Sack. Die Bälle haben innen eine Füllung aus Kunststoffgranulat und außen eine abwaschbare Stoffhaut. Der Vorteil: Nun ist man nicht auf ein glattes und ebenes Gelände angewiesen, da die Bälle auch bei hügeligem Untergrund einfach liegen bleiben und auch bei Gefälle nicht wegrollen. So kann man Crossboccia überall spielen. Egal, ob drinnen oder draußen. Egal, ob im Sommer oder im Winter, bei Regen oder Schnee. Egal, ob im Steinbruch oder in den Bergen, von Hochhäusern runter, in der Straßenbahn oder im Flughafen. Es gibt praktisch keinen Ort, an dem es nicht geht. Und je extremer die Höhen und je kurioser der Weg zum Zielball sind, desto größer ist der Spaßfaktor.

So fliegen schon mal Bälle aus dem dritten Stock vom Balkon auf den Hof, im Treppenhaus hin und her, auf dem Schulhof durch das Gewühl der Mitschüler oder im Wald über Stock und Stein, dotzen gegen Wände oder andere Begrenzungen, landen in Pfützen. Beim ursprünglichen Boule undenkbar!

Und wer hat’s erfunden?

Nein, es war ausnahmsweise mal kein Schweizer. Die Idee zum Crossboccia kam Timo Beelow, einem Student aus D-Wuppertal. Er spielte mit Freunden auf freiem Gelände Boccia, aber die Bälle kullerten wild durcheinander und ließen sich überhaupt nicht kontrollieren – kein echter Spielspaß. So entwickelte er 2009 die weichen Bälle, mit denen plötzlich überall problemlos gespielt werden konnte. Was Timo am Crossboccia fasziniert, ist nicht nur, dass man es überall spielen kann, sondern vor allem, dass es auch jeder spielen kann: »Die typischen Spieler sind momentan so zwischen 18 und Anfang 30 Jahre alt, aber es gibt auch viel jüngere und viel ältere. Ich hatte auch mal einen Anruf von einem, der beim Turnier mitmachen wollte. Er sagte, er komme mit seiner Schwester. Als die Anmeldungen dann eintrudelten, dachte ich, ich guck nicht richtig: Der Mann war weit über siebzig – und seine Schwester sogar schon über neunzig.« Und genau diese Freiheit und Unabhängigkeit vom Alter und der Umgebung ist der Grundgedanke hinter dem Spiel – neben der Kreativität, die dem Crossboccia erst den richtigen Kick gibt. Mittlerweile gibt es viele Anhänger des Trendsports – allein in Europa spielen über 50.000 Menschen mit den kleinen Bällen.

Vor drei Jahren angefixt

Inzwischen gibt es nicht nur kleinere und größere Wettkämpfe oder Turniere, 2011 gab es in Duisburg die erste Crossboccia-Weltmeisterschaft. Und die hatte bereits schon 160 Teilnehmer aus ganz Europa. Der Gewinner der Weltmeisterschaft im Jahr 2012 im Einzel heißt Sebastian Funder, wird aber von allen nur »FundaWunda« genannt. Der 27-Jährige spielt seit knapp drei Jahren Crossboccia und ist über Kumpels von Erfinder Timo zum Sport gekommen. Er erzählt: »Die brachten irgendwann mal im Sommer die Bälle mit und wir zockten auf einem Spielplatz und haben diesen Platz wirklich so was von gerockt -- und schon war ich angefixt.« Und bis heute hat ihn die Faszination dieses Sports nicht mehr losgelassen: »Mich fasziniert, dass man mit den Bällenso viel machen kann. Jeder hat eigene Ideen und Vorlieben! Jeder kann es spielen, sogar im Rollstuhl geht es! Die Hand-Augen-Koordination ist auch ein großer Bestandteil der körperlichen und geistigen Entwicklung und gerade auch im jungen Alter ein pädagogisch wertvoller Aspekt.« Zusätzlich schätzt FundaWunda, dass die eigene Kreativität bei diesem Trendsport gefördert wird. Da man es überall spielen kann, kann man sich dauernd neue Orte und Ziele suchen. Auch Wände, Treppen, Stühle, Bänke und selbst Fensterscheiben können mit einbezogen werden. So hat man immer wieder neue Spielmöglichkeiten. Der Kreativität sind also keine Grenzen gesetzt – und langweilig wird’s auch nicht.

Crossboccia auf dem Eiffelturm?

Für Crossboccia-Erfinder Timo war der spektakulärste Spielort der Landschaftspark in Duisburg: »Diese irren Höhenunterschiede, wenn man von den alten Hochöfen aus spielt und es krasse 70 Meter in die Tiefe geht. Da ist es schon ziemlich kniffelig, seine Bälle nah an den Marker heranzubringen.« Timos Traum wäre es, einmal auf der Chinesischen Mauer und vom Eiffelturm oder der Freiheitsstatue herunter Crossboccia zu spielen. Er sagt aber schmunzelnd dazu: »Ich vermute mal, von da oben einfach so etwas hinunterzuwerfen, ist sicher total tabu. Aber reizvoll …«

Text_Stefan Kleinknecht ist auch angefixt und wünscht sich zum nächsten Geburtstag Cross­boccia-Bälle.

von: